Plenum beschließt Änderung der Landesverfassung
Potsdam, 23. Juni 2022. Mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit aller Abgeordneten hat der Landtag eine Änderung der Brandenburger Verfassung beschlossen. In 3. Lesung stimmten 59 Parlamentsmitglieder für den Vorschlag (Drucksache 7/5718) der Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Sechs Abgeordnete enthielten sich der Stimme, 18 stimmten mit Nein, einige waren abwesend. Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung in Kraft, voraussichtlich am 7. Juli dieses Jahres.
Der Beschluss sieht Ergänzungen der Verfassung vor: Aufgenommen werden als Staatsziele der Kampf gegen Antisemitismus und Antiziganismus, also die rassistische Diskriminierung von sozialen Gruppen, die mit dem Stigma ‚Zigeuner‘ oder verwandten Bezeichnungen identifiziert werden. Außerdem wird die Stärkung des jüdischen Lebens in Brandenburg als Ziel verankert und die Freundschaft zum Nachbarland Polen hervorgehoben. Die niederdeutsche Sprache genießt künftig den Schutz der Verfassung, außerdem wird der Text an zahlreichen Stellen geschlechtergerecht gestaltet. Änderungen gibt es zudem beim Rechtsstatus der Fraktionen und bei der Zusammensetzung des Präsidiums des Landesparlaments.
Der letztgenannte Punkt war in den Debatten zur 2. Lesung am Mittwoch und zur 3. Lesung am Donnerstag besonders umstritten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller bewertete die Änderungen als ausgewogen: Die Verfassung sei „ein Versprechen und eine Verpflichtung für eine gute Zukunft“. Dagegen warf der AfD-Fraktionschef Dr. Hans-Christoph Berndt den antragstellenden Fraktionen vor, sie seien „die wahren Feinde der Verfassung“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Jan Redmann betonte, die Abgeordneten müssten sich durch einen Vizepräsidenten überall gut vertreten fühlen, was derzeit nicht gegeben sei. Für die Fraktion DIE LINKE sagte Fraktionschef Sebastian Walter, mit den Änderungen zeige sich Brandenburg als „wehrhafte Demokratie“.
Der Ko-Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Benjamin Raschke, schlug zum nächsten runden Jubiläum der Verfassung ein „Verfassungsfest“ vor, bei dem auch Anregungen für weitere Änderungen gesammelt werden könnten. Der Fraktionsvorsitzende von BVB/FREIE Wähler, Péter Vida, sagte, Verfassungsänderungen seien der Ausdruck eines gewandelten gesellschaftlichen Konsenses; die meisten der Vorschläge entsprächen dem. Im Namen des Rates für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden begrüßte die Vorsitzende Kathrin Schwella die Anpassungen. Innenminister Michael Stübgen unterstützte für die Landesregierung den Antrag der vier Fraktionen: Die Zahl der Angriffe auf Juden, Sinti, Roma und andere Bevölkerungsgruppen insbesondere im Internet nehme seit Jahren zu. „Entscheidend ist das Signal der Gesellschaft, dass sie das nicht akzeptiert“, sagte er.
Mit breiter Mehrheit bei einigen Enthaltungen nahm das Plenum zudem einen Entschließungsantrag (Drucksache 7/5730) an, in dem konkrete Maßnahmen im Kampf gegen Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens in Brandenburg vorgeschlagen werden. So soll die Landesregierung bis Jahresende einen Plan zur Einführung einer oder eines Antisemitismusbeauftragten vorlegen. Die Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Verfassungsschutz, den jüdischen Gemeinden, der Fachstelle Antisemitismus, der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ soll ausgebaut werden.
Der Landtag hatte das 30-jährige Bestehen der Brandenburger Verfassung in dieser Woche mit einer Festveranstaltung gewürdigt. In den drei Jahrzehnten war ihr Text bereits zehn Mal angepasst worden, zuletzt im Mai 2019.