Entstehung der Verfassung

Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich bei der Ausfertigung der Verfassung am 20. August 1992
Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich bei der Ausfertigung der Verfassung am 20. August 1992
© Landtag Brandenburg

Nach der friedlichen Revolution 1989/90 riefen die Räte der DDR-Bezirke im Februar 1990 einen Koordinierungsausschuss zur Landesbildung ins Leben. Im Auftrag des Koordinierungsausschusses erarbeitete eine Gruppe von Fachleuten einen ersten und – nach öffentlicher Diskussion desselben – einen zweiten Verfassungsentwurf. Dieser Entwurf bildete die Grundlage für die parlamentarischen Beratungen des Landtages Brandenburg, der am 14. Oktober 1990 erstmals frei und demokratisch gewählt wurde.

Der Landtag beschloss nur wenige Wochen später, am 13. Dezember 1990, das Gesetz zur Erarbeitung einer Verfassung und berief eigens für die Aufgabe einen Verfassungsausschuss ein. Ihm gehörten 15 Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie – in der Tradition der DDR-Bürgerrechtsbewegung – ebenso viele Personen des öffentlichen Lebens an, darunter juristische Sachverständige, Vertreterinnen und Vertreter der sorbischen Minderheit und des Behindertenverbandes. Ein erster Zwischenentwurf für die neue Landesverfassung wurde der Öffentlichkeit in der Zeit vom 31. Mai bis zum 15. September 1991 zur Diskussion vorgelegt und anschließend bis Dezember desselben Jahres nochmals umfänglich überarbeitet. Diese Version bildete auch die Grundlage für die drei parlamentarischen Lesungen von Dezember 1991 bis April 1992.

Die im Landtag geführten Verfassungsdebatten zeichneten sich grundsätzlich durch einen partei- und fraktionsübergreifenden Konsenswillen aus. Dieser sogenannte „Brandenburger Weg“ des Ausgleichs und der Kompromisse unterschied sich von den zum Teil scharfen Auseinandersetzungen in anderen Bundesländern deutlich. Landesinteressen wurden in Brandenburg über Parteiinteressen gestellt und auch die Änderungsanträge der Opposition von den Regierungsparteien offen miteinbezogen. Diese Vorgehensweise wirkte in ihrer Betonung von Gemeinsamkeiten identitätsstiftend für das neue Bundesland. Trotz prinzipieller Kooperationsbereitschaft unterschieden sich die Positionen der damals im Landtag vertretenen Fraktionen – der Regierungskoalition von SPD, FDP und Bündnis 90 stand eine Opposition aus CDU und PDS-LL (Linke Liste) gegenüber – in mehreren wichtigen Einzelfragen durchaus erheblich. Strittig war etwa, ob das Recht des Einzelnen zum Widerstand gegen eine rechtswidrig ausgeübte Staatsgewalt in die Verfassung aufgenommen werden sollte. Auch das Recht auf straffreien Schwangerschaftsabbruch oder der verfassungsrechtliche Status des Religionsunterrichts wurden kontrovers diskutiert und letztlich aufgrund ausbleibender Einigung nicht in den Verfassungstext aufgenommen. Unterschiedliche Auffassungen herrschten ebenso in Bezug auf die notwendige Anzahl der Unterschriften oder Stimmen, die bei der Volksgesetzgebung erreicht werden musste.

Die brandenburgische Verfassung wurde als erste unter den Landesverfassungen der neuen Bundesländer verabschiedet (14. April 1992) und zwei Monate später per Volksentscheid durch die Brandenburgerinnen und Brandenburger angenommen (14. Juni 1992). Es handelte sich um die erste Vollverfassung eines deutschen Bundeslandes – bestehend also aus einem Grundrechtsteil und einem staatsorganisatorischen Teil – seit 1949: In Ergänzung des bereits gültigen Grundrechtskataloges im Grundgesetz entschieden sich die Verfassungsmütter und -väter in Brandenburg ganz bewusst dafür, wesentliche Grundrechte und Staatsziele auch in die Landesverfassung aufzunehmen. Infolge der Bürgerbewegung und des demokratischen Wandels in der DDR 1989/90 wurden insbesondere viele Freiheitsrechte ausdrücklich formuliert.

Die Verfassung des Landes Brandenburg trat am 21. August 1992 in Kraft. Viele der damals entstandenen Dokumente – insbesondere die Protokolle der mit der Erarbeitung und Beratung beauftragten Verfassungsausschüsse – waren der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich. Anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Inkrafttretens der Verfassung haben die Bibliothek des Landtages und die Parlamentsdokumentation – in Kooperation mit dem Digitalisierungslabor der Fachhochschule Potsdam – die Materialien umfänglich aufgearbeitet und stellen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Die gesamte Verfassungsdokumentation finden Sie unter nachfolgendem Link:
https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/verfassungsdokumentation