Woche der Brüderlichkeit 2015 im Land Brandenburg eröffnet - Landtagspräsidentin Stark: „Wer Juden bedroht, verletzt uns alle!“

Parlamentspräsidentin Britta Stark und Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert, Evangelischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, haben heute im Rahmen einer Festveranstaltung im Alten Rathaus Potsdam die Woche der Brüderlichkeit 2015 im Land Brandenburg eröffnet. Das Jahresmotto lautet „Im Gehen entsteht der Weg. Impulse christlich-jüdischer Begegnung".

In ihrer Begrüßungsrede vor den rund 150 geladenen Gästen zeigte sich Landtagspräsidentin Stark angesichts der jüngsten antisemitischen Gewalttaten und Hassbotschaften ebenso besorgt wie entschlossen: „Juden gehören zu Deutschland und sind wieder Teil unserer Identität. Es ist unerträglich, wenn sich Juden mit einer Kippa in bestimmten Gegenden in Deutschland nicht auf die Straße trauen, wenn Menschen bedroht werden, weil sie für Israel eintreten. Die Anschläge auf Juden in Paris und Kopenhagen zeigen uns, dass Antisemitismus in Europa Realität ist. Werden jüdische Mitbürger bedroht, dann verletzt das auch uns. Wir müssen zusammenstehen für eine tolerante und weltoffene, für eine menschenfreundliche Gesellschaft, in der alle gut leben können – ob sie Juden sind, Christen, Muslime oder Atheisten.“

In diesem Zusammenhang unterstrich Stark die Bedeutung des christlich-jüdischen Dialoges und die einzigartige Verantwortung der Deutschen für ein neues Verhältnis zu den Juden. Zur Verständigung und gegenseitigen Wertschätzung unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Lebensweisen trägt die jährliche Woche der Brüderlichkeit nach den Worten der Landtagspräsidentin erheblich bei: „Sie lädt nicht nur zur Auseinandersetzung ein, sondern schafft auch mehr Öffentlichkeit für das Gespräch zwischen Juden und Christen. Diesen Austausch wollen wir weiterführen und vertiefen.“

Der Evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Potsdam, Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert, richtete in seinem Grußwort zunächst den Blick auf das Geleistete: „In den vergangenen 70 Jahren ist es gelungen, gut 2000 Jahre kirchlichen Antijudaismus weitgehend zu überwinden. Das ist - mit den Worten von Rabbiner Henry Brandt - eine Revolution, eine Sensation, über die wir uns nur freuen können. Endlich können wir auf Augenhöhe miteinander sprechen. Dennoch: Es gibt immer noch Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, wie wir gerade erst aktuell und immer wieder erfahren müssen. Es gibt noch viele Vorurteile und Ängste vor denen, die anders sind als wir, vor Überfremdung, die als Bedrohung empfunden wird. Der Weg, miteinander zu sprechen, aufeinander zuzugehen und sich kennenzulernen, muss also fortgesetzt werden. Nur so werden wir die Ängste abbauen können.“ Hierzu gehöre laut Schulze-Eggert auch eine Öffnung des christlich-jüdischen Dialoges für die Muslime: „Endlich müssen alle gemeint sein, alle Glaubensgemeinschaften, die sich in unserer klein gewordenen Welt begegnen und aufgefordert sind, respektvoll miteinander umzugehen.”

In seiner Festansprache betrachtete der geschäftsführende Direktor der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam, Rabbiner  Prof. Dr. Walter Homolka, den Weg des europäischen Judentums nach 1945: „Bei der Neugestaltung des jüdischen Lebens nach der Shoa war lange nicht klar, ob sich dauerhaft Erfolg einstellen würde. Schon die Zielformulierung war schwierig. Würde in Deutschland wieder eine jüdische Gemeinschaft Fuß fassen mit Menschen, die hier nicht nur hängengeblieben oder gestrandet sind? «Im Gehen entsteht der Weg» beschreibt die Entwicklung nach 1945 am besten. Und in Begleitung von Partnern geht man besser. So standen die letzten 70 Jahre auch für eine Annäherung der christlichen Kirchen an das Judentum.“

Hintergrund:

Seit 1952 veranstalten überall in der Bundesrepublik die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit jährlich im März die Woche der Brüderlichkeit, um die Verständigung von Christen verschiedener Bekenntnisse mit Juden unterschiedlicher Traditionen zu befördern. Derzeit existieren über 80 regionale und lokale Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, in denen sich mehr als 20 000 Mitglieder, Freunde und Förderer engagieren.

Im Land Brandenburg wird die Themenwoche zum 16. Mal durch eine zentrale Festveranstaltung gewürdigt. Der diesjährige Festredner Prof. Dr. Walter Homolka ist Gründungsrektor des Abraham-Geiger-Kollegs, dem ersten Rabbinerseminar in Deutschland seit der Shoa. Für sein Engagement in der Rabbiner-Ausbildung wurde er jüngst mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Noch bis Sonntag wird bundesweit in zahlreichen Veranstaltungen für einen intensiven Dialog zwischen Juden und Christen geworben.